Premiere mit Ausrufezeichen

Zum ersten Mal überhaupt haben die Musikvereine aus Bauschlott und Göbrichen ein gemeinsamesKonzert gegeben. Das anspruchsvolle Programm reißt das Publikum zu Beifallstürmen hin.

Schwerelos schweben fein gewebte Klangteppiche durch die Halle, mit Wucht breiten sich majestätische Melodien aus, eindrucksvoll entfalten sorgsam inszenierte Kontraste ihre Wirkung. Was die Aktiven der Musikvereine aus Bauschlott und Göbrichen am Samstagabend geboten haben, das lässt sich kaum in Worte fassen, das muss man gehört und erlebt haben. In der vollbesetzten Gräfin- Rhena-Halle präsentieren sie eine große Bandbreite verschiedener Stilrichtungen und Genres, einen regelrechten Parforceritt durch die Musikgeschichte, vorbei an Melodien aus Leinwand-Klassikern, modernen Popsongs und sinfonischen Kompositionen. Es ist das erste Mal, dass die beiden Vereine ein gemeinsames, abendfüllendes Konzert auf die Beine stellen. Eine Premiere, ins Leben gerufen anlässlich des 50. Geburtstags, den die Gemeinde Neulingen in diesem Jahr feiert. „Die Bereitschaft war auf beiden Seiten sehr groß“, sagt Sandra Apel, die im Vorstand des Bauschlotter Musikvereins für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und sich noch gut erinnern kann, wie die Idee für das gemeinsame Konzert im April entstanden ist: beim Jubiläumsfestakt, den die beiden Vereine musikalisch begleitet haben.

Nach der Sommerpause begannen sie mit den Proben, von Anfang an gemeinsam in der großen Gräfin-Rhena-Halle und unter der Leitung des Bauschlotter Dirigenten Philipp Zink. Einmal pro Woche und zusätzlich an einem Wochenende haben sich die insgesamt 55 mitwirkenden Musiker getroffen, um das Konzert vorzubereiten. Der Bauschlotter Vorsitzende Stefan Weihing berichtet von einer „sportlichen Probenphase“, die aber auch viel Spaß gebracht habe. Sein Göbricher Kollege Wolfgang Beck verweist auf eine hohe Anwesenheitsquote, die schnell einen großen Klangkörper entstehen ließ. „Alle haben sich von Anfang an bestens verstanden.“ In der Jugend kooperieren die beiden Vereine schon länger erfolgreich, etwa in Form eines gemeinsamen Orchesters, das beim Konzert am Samstagabend den Anfang macht. Während über ihnen die bunten Scheinwerfer kreisen, geben die rund 25 Nachwuchsmusiker eine kleine Kostprobe ihres Könnens: Mit weit ausgespannten Melodiebögen geht es zum „König der Löwen“, mit Schwung ins Superhelden-Universum zu den „Avengers“.

Einmal pro Woche trifft sich die bunt gemischte Truppe, um unter Andreas Kubatovs Leitung neue Stücke einzustudieren. Etwa den temporeichen Pop-Hit „Blinding Lights“, den sie beim Konzert ebenso im Gepäck haben wie ein mediterran anmutendes, von gleichmäßigen, tänzerischen Bewegungen geprägtes Stück. Als das begeistert applaudierende Publikum eine Zugabe verlangt, schlägt die große Stunde einer Zwölfjährigen: Als hätte sie vorher nie etwas anderes gemacht, dirigiert sie ihre Musikerkollegen durch den an Boxschläge erinnernden Rhythmus des „Eye of The Tiger“. Nicht weniger spielfreudig präsentiert sich das große Blasorchester, das seinem Namen allein schon deshalb alle Ehre macht, weil es die ganze Bühne ausfüllt. Zupackend präsentieren die Musiker die Hits der Band „Santiano“, mit einem feinen Gespür für Nuancen entfalten sie den farbenreichen Soundtrack zum Film „Sea Hawk“, der voller Wendungen, Tempo- und Taktwechsel steckt.

Auf der stimmungsvoll beleuchteten Bühne setzen sie die 1981 verfilmte Geschichte einer U-Boot- Besatzung ebenso stilsicher in Szene wie eine alte Sage über die Nixen, die im Mummelsee wohnen sollen und zurück in ihr Schloss müssen, bevor die Nacht hereinbricht. Nicht weniger eindrücklich charakterisieren die Musiker die Protagonisten von „Moby Dick“, auch den Baptistenprediger, dessen Hymne sie inmitten melancholischer Klänge singend zum Vortrag bringen. Im Klirren und Flirren, mit schnellen Trommelschlägen, brummenden Tuben und pfeifenden Querflöten wird in der kunstvollen Komposition die Bedrohung spürbar und die Ausweglosigkeit offensichtlich. Mit überaus nuancierter Intonation rückt Solist Dimitrios Stavroulis die Tuba in den Mittelpunkt: nicht nur bei den „Bluebells of Scottlant“, sondern auch bei einem von Ralph Vaughan Williams komponierten Stück, in dem das Instrument im Ausloten klanglicher Möglichkeiten alles andere als behäbig erscheint und schöne Akzente setzt. Den nicht mehr enden wollenden Beifallstürmen nach zu urteilen, dürften sich die Konzertbesucher freuen, dass sich beide Musikvereine gut vorstellen könnten, künftig wieder zusammenzuarbeiten. – Text und Fotos: Nico Roller